Der Beitrag der DDR zum Vietnamkrieg: die Tellermine PPM-2

Dr. Uwe Siemon-Netto, der ehemalige Korrespondent der Zeitung „Die Welt“ hat – leider erst nach so vielen Jahren – ein Buch über seine Zeit in Vietnam während des Krieges geschrieben. Wenn er recht hat, haben die 68er – auch ich – den Falschen zugejubelt, den kommunistischen Kriegsverbrechern Ho Chi Minh und Nguyen Giap.

Ein kleiner Auszug, der mit der „friedliebenden“ DDR zu tun hat: „Nach Angaben des Woodrow Wilson Center in Washington lieferte die DDR Nordvietnam und dem Vietcong Kriegsgerät im Werte von 200 Millionen Dollar, darunter Schnellfeuergewehre, Minen, Granaten, Munition, Lastwagen, Motoren und Flakgeschütze. Sie bildete Offiziere dieses fernöstlichen «Bruderstaates» aus und schickte auch Instrumente für seine Militärkapellen. Außerdem schulte der DDR-Staatssicherheitsdienst Spione Hanois und Geheimpolizisten und stattete sie technisch aus.“ Die gefürchtetste Waffe war eine DDR-Tellermine.

„Ein Vierteljahrhundert später nahm ich an der Frühkonferenz einer deutschen Qualitätszeitung teil, für die ich als Redaktionsberater arbeitete. Unter anderem wurden gute Reportagethemen aus den neuen Bundesländern gesucht. «Ich habe eine Idee für euch», sagte ich. «Wie wäre es mit einer gründlich recherchierten Geschichte über die PPM-2-Tellerminen, deren zerfetzte Opfer ich so oft entlang der Nationalstraße 19 in Südvietnam sah? Diese Tellerminen kamen alle aus der DDR. Schickt doch einmal ein Reporterteam zu den früheren Produktionsstätten dieser Sprengkörper. Interviewt die früheren Manager, Ingenieure und Arbeiter dieser Waffenschmieden. Durchforstet DDR-Archive nach Material über die PPM-2. Vielleicht würde dies eine ganze Artikelserie abgeben.

Eine Folge könnte auch von der DDR-Propagandalüge handeln, dass die Bundesrepublik in Vietnam eine kriegführende Partei gewesen sei. Die hat mehreren unserer Landsleute das Leben gekostet.» Oh, war ich da in ein Hornissennest getreten!

Blanker Hass schlug mir entgegen, so als hätte ich den Architekten des Dritten Reiches, Albert Speer, als deutsche Mutter Teresa apostrophiert. Dabei war dies keine Linkspostille, aber einige der blasierten jüngeren Redakteure empörten sich dergestalt, dass ich mich fragte, ob die DDR tatsächlich nach dem Einsturz der Mauer untergegangen war. Mit Schrecken konstatierte ich, dass die Ideologie der Achtundsechziger, die ein Vierteljahrhundert zuvor Ho Chi Minh glorifiziert hatten, ihrer Köpfe habhaft geworden war.“

Der Beitrag Westdeutschlands zum  Vietnamkrieg war das Lazarettschiff MS Helgoland. Ein Vietcongtaucher sollte es in die Luft sprengen. Er wurde in letzter Sekunde erkannt und erschossen.

Das SED-Zentralorgan Neues Deutschland karikierte das schwimmende Krankenhaus mit dem Hoheitszeichen der Bundeswehr und dem Schriftzug „Legion Vietnam“ (als Fortsetzung der „Legion Condor“, einem Flugzeuggeschwader, mit dem Hitler den Putsch des spanischen Generals Franco unterstützte.)

Die Auszüge sind aus: Uwe Siemon-Netto, Duc, der Deutsche: Mein Vietnam. Warum die Falschen siegten

Uwe Siemon-Netto erzählt von seinen Erfahrungen als Zeitungskorrespondent im Vietnamkrieg. Er zeichnet ein völlig anderes Bild, als wir es aus den Fotos und Berichten der westlichen Medien – und aus Wikipedia – kennen.

Für ihn sind Ho Chi Minh und sein General Nguyen Giap Kriegsverbrecher und Massenmörder. Giap hatte vorausgesagt, dass eine Demokratie den Krieg gegen Nordvietnam nicht gewinnen könne. Ein demokratischer Staat habe nicht die Geduld, einen langen Krieg zu führen. Er müsse Rücksicht auf die Bevölkerung und die Medien nehmen. Dieser Krieg werde jeden Tag in die Wohnzimmer aller Amerikaner übertragen.

Die nordvietnamesischen Kommunisten begannen sofort nach der Teilung des Landes 1954, den Krieg gegen Südvietnam. Sie besetzten Teile von Kambodscha und Laos, um Nachschubwege einzurichten. General Giap schickte fünfzehnjährige Kindersoldaten nach Südvietnam. Niemand hatte die achtzehnjährigen GIs darauf vorbereitet, dass sie von Kindern erschossen werden würden oder sie Kinder töten müssten. Mao hatte in der zeitlich parallel verlaufenden Kulturrevolution Erwachsene von Jugendlichen erschlagen lassen, Pol Pot wird in Kambodscha Kinder als Killer einsetzen.

Nachts drangen die Vietcong in die südvietnamesischen Dörfer ein, enthaupteten die Bürgermeister und töteten ihre Familien, massakrierten die Teilnehmer katholischer oder buddhistischer Prozessionen. An den Wahlen 1965 beteiligten sich 83% der Südvietnamesen, trotz 850 Terroranschlägen des Vietcong in der Wahlwoche, trotz Straßensperren und Sabotageakten.

1968, in ihrer Tet-Offensive, waren die Kommunisten von den südvietnamesischen und amerikanischen Streitkräften besiegt worden, Allerdings war da in USA und Europa die von den Medien und Intellektuellen geübte Kritik an den USA auf dem Höhepunkt. Sie führte zum Truppenabzug der USA. 1975 konnte der Vietcong sich den Süden Vietnams einverleiben.

Das Problem der USA war die „asymmetrische“ Kriegsführung. Sie hatten kein Konzept für eine geduldige, kleinschrittige Vertreibung des Vietcong aus den Dörfern und eine dauerhafte Sicherung dieser Dörfer, sagt Siemon-Netto. Es gab vereinzelt solche sicheren Gebiete, aber die US-Armee war eher auf eine Kriegsführung mit schwerer Technik, Bombern und Panzern, ausgerichtet.

Die Presse berichtete ausführlich über amerikanische Kriegsverbrechen, nicht aber über den alltäglichen nordvietnamesischen Terror. Siemon-Netto schildert eine Szene, wo er zusammen mit amerikanischen TV-Reportern den Schauplatz eines Vietcong-Massakers in der heiligen Stadt Hué besichtigt. Der Vietcong hatte dort Frauen und Kinder, die in Festkleidung an einer Prozession teilnahmen, in eine Grube getrieben und bei lebendigem Leib begraben. Man sah, wie sich Hände mit lackierten Fingernägeln durch die Erde gewühlt hatten. Die Reporter lehnten es ab, zu fotografieren. „Wir machen doch keine antikommunistische Propaganda“ werden sie von Siemon-Netto zitiert. Der TV-Star-Kommentator Walter Cronkite war 1968, während der Tet-Offensive, nach Saigon geflogen, sprach vor laufender Kamera ein Statement gegen den Krieg und flog wieder nach Hause. Auch Sängerinnen wie Joan Baez und Jane Fonda, die Historikerin Marilyn Young, die das Massaker des Vietcong in Hué leugnete, der Wissenschaftler Noam Chomsky, der auch mit dem kambodschanischen Massenmörder Pol Pot sympathisierte, und der Philosoph Bertrand Russel kritisierten die USA. US-Präsident Johnson sagte resignierend: „Wenn Walter Cronkite gegen diesen Krieg ist, kann ich ihn nicht gewinnen.“ Die westliche Berichterstattung habe wesentlich zum Sieg des Vietcong beigetragen. Ab 1968 begann der Rückzug amerikanischer Truppen. 1975, auf einem unvergesslichen Foto verewigt, hebt der letzte Hubschrauber vom Dach der US-Botschaft in Saigon ab. (Parallelen zu Afghanistan drängen sich auf.)

Von den Millionen Flüchtlingen dieses Krieges kam nur ein ganz kleine Zahl auf die Idee, ins kommunistische Paradies Ho Chi Minhs zu fliehen. Hunderttausende ertranken im Meer, in Booten auf der Flucht vor den Kommunisten.

Siemon-Nettos Buch ist ein erschütterndes Dokument. Wenn man selbst „Ho Chi Minh“ schreiend durch Berlin gelaufen ist, das an Berliner FU-Schreibtischen von den SDS-Studenten Horlemann und Gäng zusammengestellte Vietnam-Buch als Bibel in der Tasche, die amerikanischen Kriegsverbrecher verdammend, den nordvietnamesischen Kommunisten den Sieg wünschend, fängt man an, sich zu schämen.

Aber wie konnte man durchschauen, was für eine Gehirnwäsche mit uns damals veranstaltet wurde. Man musste angesichts der Bilder empört sein. Die anderen Bilder bekam man nicht zu sehen.

Der Autor lebt in den USA, er ist Doktor der Theologie, evangelisch-lutherischer Laientheologe und betreut Vietnam-Veteranen. Er  liebt Vietnam und die Vietnamesen. Für sein Buch, seinen Blick auf diesen furchtbaren Krieg, bedanken sich in den USA lebende Vietnamesen.

Es ist nicht nur ein, leider sehr spätes Buch über den Vietnamkrieg, es ist auch ein Buch über Journalismus. Darin ist es sehr aktuell, es erklärt mir nämlich auch die gegenwärtige Sitaution des deutschen Journalismus.

Siemon-Netto hat sich an die Front gewagt, er saß nicht nur, wie manche Kollegen, im feudalen Saigoner Hotel und hat die Pressekommuniqués der US-Streitkräfte an die Heimatredaktion geschickt. Er hatte Kontakte zu Diplomaten, zu Offizieren der südvietnamesischen Armee, zu Beamten und Obdachlosen.

Er mag Kollegen nicht, die nie gelernt hätten, eine Reportage zu schreiben, die lieber kommentieren, die schnell Stars werden wollen, die „Klugscheißer“, wie Rupert Murdoch sie nennen würde, die sich selbst in den Mittelpunkt stellen und mit ihren Meinungen tonangebend sein wollen, denen nie ein Redakteur ihren Text um die Ohren gehauen hat, weil er nicht präzise war und zu viele Ich-Botschaften enthielt.

Beim Konvertieren des Textes zur E-Book-Ausgabe haben sich zahlreiche Fehler eingeschlichen. Dr. Siemon-Netto schreibt, dass er die Konversion selbst besorgt hatte und das inzwischen korrigiert hat.

Nachtrag 3.8.14 : Beim Gazakrieg gibt es m. E. schreckliche Parallelen. In Tagesschau, Tagesschau 24, Phoenix, Heute aktuell sieht man die Bilder der schreienden Babies und der Verletzten, die auf Bahren weggeschleppt werden. Diese Bilder verdecken die Verbrechen der islamistischen Hamas, die Israel vernichten will und die eigene Bevölkerung kaltblütig als Geiseln nimmt. Der ARD-Korrespondent in Palästina, Richard C. Schneider, hat darüber gerade in der FAS v. 3.8. geschrieben: „Unser Text ist machtlos„.

Die Mine PPM-2 war ein Exportschlager der DDR, außer nach Vietnam ging die Waffe u.a. an Angola, Namibia, Mocambique, Sambia, Somalia, Kambodscha, Äthiopien, Irak, Tschad und Libanon.  Auch an der innerdeutschen Grenze wurde sie eingesetzt. Sie sollte die Opfer nicht töten, sondern verstümmeln.

Wie die DDR sich selbst im Vietnamkrieg sah, zeigt eine Ostalgiker-Webseite. Der rbb spricht in einer Dokumentation von der „neutralen“ DDR.

In einem Forum ostalgischer Miltiärfans hatte jemand meinen nahezu kompletten Text als eigenen Beitrag eingestellt und diese Reaktionen erhalten: Die anderen machen es auch, es gab halt Handelsabkommen, im Übrigen hätte das Thema im Forum nichts zu suchen.

Nachtrag: Ein Fundstück

„Die DDR bot die Entsendung von Freiwilligen aus den Reihen der Luftverteidigungskräfte der NVA an, die die Ausbildung vietnamesischer Offiziere und Soldaten nach dem Prinzip learning by doing übernehmen sollten. Die DDR verfügte im Warschauer Vertrag über das dichteste Luftverteidigungssystem und hatte einen anerkannt hohen Ausbildungsstand.

Nordvietnam lehnte den Einsatz von Freiwilligen ab, bat jedoch um Ausbildungshilfe und um ausgewählte Spezialisten für den Aufbau und die Organisation eines modernen Luftverteidigungssystems. 1965 entsandte die NVA Berater für den Aufbau und die Organisation eines komplexen Systems, darunter Spezialisten für den Einsatz von Luftabwehrraketen…Parallel dazu wurden vietnamesische Offiziere in der DDR ausgebildet…

Trotz aller Schwierigkeiten gelang es in kurzer Zeit, in Nordvietnam ein Luftverteidigungssystem aufzubauen, das auch nach westlicher Beurteilung nach der DDR das zweitdichteste der östlichen Seite war. Die vietnamesischen Offiziere und Soldaten erwiesen sich nicht nur als extrem einsatzbereit, sondern auch als außerordentlich schnell lernfähig, wodurch der geplante Zeitaufwand unterboten werden konnte.“

Aus: Schröter, Joachim: China, Osteuropa und der Vietnam-Krieg aus der Sicht der Deutschen Demokratischen Republik (Der Vortrag wurde auf einem Seminar gehalten, das vom „Forschungszentrum für Parteipolitik und Parteigeschichte beim Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas“ in Kooperation mit dem „Cold War International History Project of the Woodrow Wilson International Center for Scholars“, Washington D.C., organisiert wurde und vom 24. bis 26. 03. 2004 in Peking stattfand. Der Verfasser ist ehem. NVA-Offizier.

Die vielen Vietnamesen in der DDR erklären sich auch durch den Vietnamkrieg. Nordvietnam bekam die Unterstützung nicht einfach geschenkt, sondern musste sie zurückzahlen. Diesem Zweck dienten die vietnamesischen Vertragsarbeiter in der DDR. Die DDR konnte sie als billige, fleißige und stets um Unauffälligkeit bemühte Arbeitskräfte gut gebrauchen. Die Vertragsarbeiter wurden in abgeschotteten Wohnheimen untergebracht. Ausländerfeindliche Reaktionen von DDR-Bürgern wurden totgeschwiegen. Vietnamesinnen, die trotz Verbots schwanger wurden, mussten das Kind abtreiben oder in ihre Heimat zurückkehren. Zuletzt waren 60.000 Vietnamesen im Land.

– Der Vietnamkrieg aus DDR-Sicht

Nachtrag: Der WDR strahlt 2015 eine mdr-Dokumentation über den Vietnamkrieg aus, die auch aus Hanois Propagandaministerium stammen könnte.

Nachtrag 1.6.19: In der FAZ vom 1.6.19, p 18, (Bezahlschranke) lese ich unter der Rubrik „Literarisches Leben“ eine Reportage von Marco Stahlhut über die vietnamesische Kunstszene und das beredte Schweigen über den „amerikanischen Krieg“. Zu meiner großen Überraschung spricht er nicht nur von amerikanischen Kriegsverbrechen, sondern auch von nordvietnamesischen Greueltaten, die fester Bestandteil der Kriegsführung waren. Das kenne ich aus deutschen Medien gar nicht.

Nachtrag Januar 2020: Ich lese gerade Max Hastings, Vietnam: An Epic History of a Divisive War 1945-1975, Harper 2018.

Neben dem hier angesprochenen Uwe Siemon-Netto das beste Buch über den Krieg.
Nachtrag 22.05.20: Vietnam nach Corona

10 Kommentare zu „Der Beitrag der DDR zum Vietnamkrieg: die Tellermine PPM-2

  1. Die Fotoaufnahme von der Schützenmine, keine Tellermine, PPM-2 wurde durch den BGS/Grenzpolizei im November 1980 gefertigt. Wäre schön wenn man dazu eine Quelle angibt.

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