Warum billige Mieten, Fahrkarten und Lebensmittel nur eine Seite der Medaille sind.
Wer die DDR besuchte und sich über die niedrigen Brotpreise, die spottbilligen Straßenbahnfahrten oder die geringen Mieten wunderte, der musste wissen: Preise hatten in der DDR nichts mit den Kosten für die Herstellung oder die Bereitstellung von Gütern und Leistungen zu tun. Für Nahrungsmittel schoss der Staat bei je 100 Mark Kosten 46 Mark an Subventionen zu; nur die restlichen 54 Mark waren durch die Preise gedeckt, die DDR-Verbraucher zahlen mussten. Noch stärker wurden Verkehrsleistungen und Wohnungsmieten subventioniert. Die Abkopplung der Verbraucherpreise von den Kosten konnte absurde Folgen haben; manche Tierhalter verfütterten Brot statt Getreide, weil das billiger war. Die LPG bekam mehr Geld für ihre Hühner und Schweine als Broiler und Schnitzel beim Metzger erlösten.
Artikel 9,3 der DDR-Verfassung von 1968 besagte: „Die Volkswirtschaft der Deutschen Demokratischen Republik ist sozialistische Planwirtschaft.“
Was Planwirtschaft ist, kann man begreifen, wenn man den „Gegenbegriff“ Marktwirtschaft heranzieht. Die wichtigste Kategorie in der Marktwirtschaft ist die Rendite, auch Gewinn oder Profit genannt: Ein Unternehmer unternimmt nur dann etwas, wenn er Aussicht auf einen Gewinn hat. Er achtet darauf, so kostengünstig wie möglich zu produzieren. Er ist bestrebt, Kapital (das Geld, das er für das Unternehmen einsetzt), Rohstoffe, Energie und Arbeitskräfte nicht zu verschwenden, sondern so sparsam wie möglich zu nutzen. Alles hat nämlich seinen Preis. Der Planwirtschaft fehlt die Orientierungsgröße Preis.
Der Planwirtschaft fehlt dadurch die Dynamik der Marktwirtschaft. Der Wettbewerb und die Aussicht des Unternehmers, Gewinn zu machen, sorgen für Produktverbesserung, Rationalisierung, Steigerung der Arbeitsproduktivität, Erfindungen und neue Produkte. Man sieht das am Beispiel des Trabant-Pkw: Keine Konkurrenz, kaum Verbesserungen, schlechtes Preis-Leistungsverhältnis. Der „Kunde“ hat keine Wahl, die Ware wird ihm zugeteilt.
In der Planwirtschaft wird alles von der kommunistischen Partei und den Behörden angeordnet. Man spricht deswegen auch von Kommandowirtschaft. Die Anzahl etwa der zu produzierenden Zahnbürsten und Schnürsenkel wird von einer Behörde zentral festgelegt. Die Parteifunktionäre ordnen an, dass eine Mikroelektronikindustrie aufgebaut wird oder dass die Betriebe Arbeitskräfte einsparen, damit anderswo Bedarf gedeckt werden kann. Kein Betrieb gibt aber gerne Arbeitskräfte her. Daher „hortet“ er sie: Er versucht mit allen Mitteln, mehr Arbeitskräfte zu haben, als eigentlich nötig wären. Was zur Folge hat, dass es in der DDR einen Arbeitskräftemangel gab und ausländische Vertragsarbeiter ins Land geholt wurden, gleichzeitig aber auch Unterbeschäftigung herrschte, weil die Betriebe Arbeiter besaßen, als sie brauchten.
Die Kommunisten schaffen die Unternehmer ab, d. h. die Gruppe von Menschen, die etwas „unternehmen, also Ideen haben, Erfindungen machen, Fabriken bauen und das dafür notwendige Kapital sammeln.
Preise werden von der Planbehörde festgesetzt. Sie entstehen nicht aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Rentabel, also kostengünstig produzieren, musste man in der DDR-Planwirtschaft nicht.
Da die Preise von der Partei festgelegt wurden und die Firmen nicht darauf achten mussten, gewinnbringend zu produzieren, gab es keine Maßstäbe dafür, ob etwas unrentabel und eine Investition zu teuer war. Man war auch nicht gezwungen, billiger oder energiesparender zu produzieren. Es gibt Schätzungen für das Jahr 1970, dass die SED 12 Mrd (Ost)Mark mehr aufwenden musste als Westdeutschland für vergleichbare Investitionen.
Der Profit, der im Kapitalismus dafür sorgt, dass so kostengünstig wie möglich produziert wird, fehlt in der Planwirtschaft. Sie verschwendet Kapital, Rohstoffe, Energie und Arbeitskräfte. Daher braucht sie von allem mehr als nötig, und vor allem muss sie mehr Geld dafür ausgeben, als nötig. Auch auf den Schutz der Umwelt mussten die DDR-Kombinate nicht besonders achten.
Nun ist der Hauptvorwurf der Kommunisten gegen die Kapitalisten, dass die ihre Gewinne durch die Ausbeutung der Arbeitskräfte erzielen würden. Interessanterweise ist das Einkommen der westdeutschen Arbeitnehmer weitaus stärker gestiegen als das der ostdeutschen. Die SED musste die Löhne und Renten wegen der sinkenden Arbeitsproduktivität (In der Schlussphase der DDR nur noch ein Drittel der westdeutschen!) gering halten, auch brauchte sie das Geld für Investitionen in der Industrie. Als Ausgleich hielt sie die Preise der Waren des alltäglichen Bedarfs und die Wohnungsmieten niedrig. Dafür musste sie aber viel Geld zuschießen, weil die Preise künstlich niedrig gehalten wurden.
Auch Lenin musste vier Jahre nach der Oktoberrevolution die „Neue Ökonomische Politik“ einführen. Die Verstaatlichungen, Enteignungen, Einschränkungen des Handels und die Wegnahme der Ernten hatten zum Zusammenbruch der Wirtschaft geführt. Lenin erlaubte den Bauern, dass sie einen Teil der Ernte behalten durfte und dass es wieder Märkte geben durfte. Das führte sogleich zu einer leichten Erholung der Wirtschaft. Nach Lenins Tod führte Stalin umso rigoroser die totale Planwirtschaft ein.
Was sich im Kapitalismus über Wettbewerb, Gewinn und höhere Löhne ergibt, nämlich die Steigerung der Produktivität und das Wirtschaftswachstum, muss im Kommunismus durch Zwang ersetzt werden. Wer in der Stalinzeit in den Betrieben zu spät kam oder einen Fehler machte, wurde in die GULag-KZs gebracht. Fabrikdirektoren wurden erschossen, wenn es Pannen gab.
Schon Aristoteles hatte erkannt, dass ohne die Möglichkeit Gewinne zu machen und Privateigentum zu bilden, niemand Lust auf Leistung hätte.
Stalins Industrialisierung war einige Jahrzehnte erfolgreich. Der Höhe-, aber auch Schlusspunkt war der Sputnik im Weltall. Deswegen wird Stalin von Frau Dr. Wagenknecht auch bewundert. Der Erfolg wurde allerdings durch Zwang erkauft. Millionen Bauern verhungerten.
Aber ab den 60er Jahren ließen sich die strukturellen Problem der Planwirtschaft nicht mehr überdecken: Der fehlende Wettbewerb, die fehlende Preisbildung durch den Markt, durch Angebot und Nachfrage, die fehlenden Leistungsanreize. Die UdSSR stagnierte.
Die SED war, wie alle kommunistischen Parteien, immer wieder gezwungen, marktwirtschaftliche Korrekturen an ihrer Kommandowirtschaft vorzunehmen. Ab 1968 durften die Betriebe ein wenig Gewinn machen und man versuchte, Kriterien für Rentabilität ermitteln. Es kam – vorübergehend – zu einem Neuen Ökonomischen System der Planung und Lenkung, NÖSPL, mit dem, vereinfacht gesagt, das kapitalistische Einmaleins des Wirtschaftens wieder eingeführt wurde. Rendite- und Rentabilitätsberechnungen zeigten jetzt, dass zahlreiche Betriebe rote Zahlen schrieben [Das „Schwarze Pumpe“-Braunkohlenkombinat, Leuna, Buna, der gesamte Schiffbau, Eisenhüttenstadt, die Mansfelder Hütte u. a.]. Investitionen sollten nicht länger z. B. zur Erhöhung der Produktion von Braunkohlebriketts dienen, die schon bisher schlecht abzusetzen waren. Hunderttausende von Arbeitskräften hätten in rentablere Betriebe umgesetzt werden können. Dies scheiterte aber an der Weigerung der Arbeiter, obwohl die Weiterzahlung von Prämien und Zulagen gesichert war und kein Arbeitsplatz mehr als 20 km entfernt war.
Zum Wesen des Kapitalismus gehört das Kommen und Verschwinden von Unternehmen. Unrentable Betriebe müssen schließen, andererseits entstehen neue, weil es immer wieder neue menschliche Bedürfnisse gibt, neue Erfindungen und neue wissenschaftliche Erkenntnisse, die neue Geschäftsfelder eröffnen und Unternehmer anlocken. (Betriebsschließungen und Betriebsgründungen liegen in Deutschland im niedrigen fünfstelligen Bereich.) In der Planwirtschaft erkennt man ohne marktwirtschaftliche Analysen unrentable Betriebe nicht und hält sie weiter mit hohen Kosten am Leben.
Aber auch in Staaten mit Marktwirtschaft stützen Regierungen durch Kredite und Subventionen immer wieder Betriebe, die eigentlich Pleite gehen müssten. Meist wird der Konkurs dadurch nur hinausgezögert. So etwa in der Solarindustrie und bei Werften. Ein Bundeskanzler „rettete“ einmal den Baukonzern Holzmann, der dann später doch Pleite ging. Banken werden gerne mit dem Geld der Steuerzahler gerettet.
Der Verlust von Arbeitsplätzen durch Firmenzusammenbrüche soll im Kapitalismus durch soziale Sicherungen gemildert werden. Daher spricht man sozialer Marktwirtschaft. (Die war ursprünglich mit neo-liberal gemeint, bevor daraus ein Schimpfwort gemacht wurde.)
So waren z. B. Arbeitslose in Westdeutschland finanziell besser dran als Durchschnitt-Arbeitnehmer in der DDR. Durch steuerliche Anreize sollen in Westdeutschland Unternehmer motiviert werden, neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Bildungspolitik soll dafür sorgen, dass die Menschen so gut ausgebildet sind, dass sie dazulernen können, dass sie fähig sind, sich in neue Tätigkeiten einzuarbeiten. Die Steuerung der Wirtschaft in marktwirtschaftlichen Systemen geschieht global und nicht bei jedem Detail.
Nach der Machtübernahme Honeckers wurde Ulbrichts NÖSPL wieder rückgängig gemacht. Honecker sorgte dafür, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern Vorrang erhielt. Das überstieg die Wirtschaftskraft der DDR endgültig und trieb sie in den Ruin.
Um zu Geld zu kommen, verkaufte die SED schon seit den 60ern, manchmal sogar zu diesem Zweck eigens verhaftete politische Gefangene. Sie druckte Pornohefte für den Export ins kapitalistische Ausland, verkaufte geraubte Antiquitäten und historisches Kopfsteinpflaster sowie die Erlaubnis, auf ihrem Staatsgebiet bundesdeutschen Müll zu deponieren.
Die SED sah die Schuld für ihre wirtschaftlichen Probleme immer bei den andern:
- Die DDR hätte nach dem zweiten Weltkrieg die schlechteren Ausgangsbedingungen gehabt: Lange und umfangreiche Demontage, keine Marschallplanhilfe.
- So etwas wie das Ruhrgebiet hätte in Mitteldeutschland gefehlt. (Der ehemals in der DDR tätige Manager und Wirtschaftswissenschaftler Werner Obst meint allerdings, den DDR-Ökonomen wäre es auch gelungen, das Ruhrgebiet herunterzuwirtschaften. Keinesfalls hätten sie den dort stattgefundenen Strukturwandel hinbekommen.)
Vergessen wird:
- Die Kerngebiete der Industrialisierung lagen in Mitteldeutschland: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen. Dort gab es hervorragend ausgebildete Ingenieure und Facharbeiter und eine vielfältige Industrielandschaft (Textil, Fahrzeugbau, Chemie). Die Arbeitsproduktivität war dort vor dem Krieg höher gewesen als im Westen.
- Die DDR hätte sehr viel billiger Steinkohle aus Westdeutschland beziehen können als sie aus Sibirien heranzuschaffen.
- Die DDR hatte durch den Interzonenhandel mit der Bundesrepublik zollfreien Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Das verärgerte die Mitgliedsländer ebenso wie die anderen RGW-Staaten, die das nicht hatten. (RGW = Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe: Zusammenschluss der Ostblockstaaten unter UdSSR-Führung).
- Sie hatte im Interzonenhandel einen Überziehungskredit (Swing) zu Vorzugskonditionen.
- Die SED hat über eine halbe Million Unternehmer vertrieben. Die meisten haben in Westdeutschland ihre Betriebe wieder gegründet.
Nach Jochen Bölsche/Norbert F. Pötzl; in: „Der Spiegel“ vom 15. November 1999, S. 200, Philipp Plickert, der in „Die planlose Planwirtschaft“, Frankf. Allg. Sonntagszeitung v. 12.11.2017, Don Lavoie referiert, und Werner Obst, DDR-Wirtschaft: Modell und Wirklichkeit, Hamburg 1973. Obst war Manager in der DDR. Er verließ Anfang der 70er die DDR. Seine Bücher aus diesen Jahren sind bis heute gültige Darlegungen des Versagens der SED. Obst geht es übrigens nicht um Antikommunismus, er glaubte, die Planwirtschaft verbessern zu können. (Plickert 11/2017 nachgetragen)
Weitere Details:
Gleichheit: Auch in der DDR gab es Ober-, Mittel- und Unterschicht. Es gab Einkommensunterschiede im Verhältnis 1:6. Während die Rentner generell niedrige Renten erhielten und teils an der Armutsgrenze lebten, gab es für die Kader und die 90.000 MfS-Mitarbeiter/innen das Doppelte und Dreifache des Lohndurchschnitts. Die Kinder der Oberschicht („Kader“, „Intelligenz“) heirateten vorzugsweise untereinander und hatten Vorteile bei der Karriere. Das war im Sozialismus nicht anders als im Kapitalismus.
Sozialpolitik: In der DDR galt die 43-Stundenwoche, nicht 40, 38 oder 36 Stunden wie in der Bundesrepublik. Auch der Urlaub war kürzer. Die Lebenserwartung war niedriger. (Sie hat sich nach der sog. Wende an Westdeutschland angeglichen.)
Das heute gerne geforderte „Recht auf Arbeit„, das in der DDR als vorbildlich gelobt wird, ist nicht unproblematisch: Da es keineswegs eine flächendeckende Kinderbetreuung gab, hatten Frauen mit Kindern auch schon einmal Probleme, eine Beschäftigung zu finden. Außerdem waren sie, wie in Westdeutschland doppelt belastet. Die ostdeutschen Männer waren keineswegs bessere Ehemänner als die westdeutschen. Wer im beliebten Systemvergleich dem Westen die emanzipierten Ostfrauen entgegenhält, informiert unvollständig.
Die politisch gewollte Vollbeschäftigung verursachte Probleme. Ein Arbeitsplatzwechsel war die Ausnahme. Wenn man neue Produkte oder Industriezweige anordnet, muss man die Arbeitskräfte von den Kombinaten, den DDR-Großbetrieben, abziehen. Das war aber nahezu unmöglich (s. o.).
Die SED bemühte sich ständig, den Untertanen zu vermitteln, dass das Recht auf Arbeit auch Pflichten beinhalte (keine Bummelei, nicht krankfeiern, Sonderschichten einlegen, Verbesserungsvorschläge machen…).
Die Beschäftigung um jeden Preis führte zu einer verdeckten Arbeitslosigkeit. Es gibt Schätzungen, dass es in den 80ern etwa eine Arbeitslosenrate von 15% gegeben haben muss. Die Unterbeschäftigung kommt in Berichten und Witzen zum Ausdruck. So schreibt ein heutiger Journalist: „Ich durfte kein Abitur machen und lernte daher in einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Ich war so ziemlich der einzige, der nicht ständig an etwas Privatem herumschraubte.“ Oder im LPG-Witz: Ein Landarbeiter wird von seinen Kollegen gefragt, warum er denn noch nach Feierabend seine private Kuh, seine Hühner und seinen Gemüsegarten hege. Die Antwort: „Einmal am Tag will ich richtig arbeiten!“ Prof. Richard Schröder zitiert gerne den Spruch: „Ab eins macht jeder seins.“
Es ist kein Widerspruch, wenn neben der verdeckten Arbeitslosigkeit gleichzeitig ein Arbeitskräftemangel konstatiert werden muss. Die Betriebe neigten, wie gesagt, dazu, Arbeitskräfte zu horten. Damit wappneten sie sich gegen Ausfälle durch Krankheit, Bummelei, Ausfälle wegen veralteter Maschinen. Es gab immer wieder neue Kampagnen, Direktiven oder Initiativen, die zur Planübererfüllung aufriefen oder dem Betrieb sachfremde Aufgaben im Konsum- und Dienstleistungsbereich aufzwangen, etwa Bücherregale zu bauen oder Bügeleisen reparieren.
Um Prämien zu erhalten oder Abzüge zu vermeiden, meldeten die Firmen und Kombinate auch nicht ganz korrekte Zahlen an die Planbehörde oder produzierten hohe Stückzahlen ohne Rücksicht auf Materialverbrauch oder Qualität („Tonnenideologie“ wird das spöttisch genannt.)
Eine direkte, zeitnahe Rückmeldung der Verbraucherbedürfnisse war in der Planwirtschaft nicht vorgesehen. Man konnte wohl durch Fragebögen vor der Erstellung eines neuen Fünfjahresplans die Verbraucher fragen, was sie denn gerne hätten. Aber eine unmittelbare Auswirkung hatte das nicht. Ob ein Produkt beim Verbraucher durchfiel, war gar nicht so einfach festzustellen, denn wegen fehlender Alternativen fanden auch unattraktive Textilien oder störanfällige Geräte Käufer.
Da der Preis in der Planwirtschaft eine untergeordnete Rolle spielt und kein Maßstab für Effizienz und Rentabilität ist (s. o.), gelang es, den „größten Chip der Welt“ zu bauen (DDR-Witz über die Mikroelektronik des Landes). Der kostete dann auch 500 Mark. Der Weltmarktpreis war 50 Pfennig.
Die SED hatte sich von der verbesserten Sozialpolitik ab den 70er Jahren Loyalität der Untertanen zur Partei und eine höhere Arbeitsproduktivität versprochen. Beides trat nicht ein. Wegen der geringen Lebenshaltungskosten stieg die Sparquote. Aber auch die Ansprüche wuchsen, nicht jedoch das Konsumgüterangebot. Mit teuren Delikatess- und Exquisitläden und dem Genex-Geschenkdienst (einer Art Quelle-Katalog) versuchte man, dem entgegenzukommen und gleichzeitig das vorhandene Geld abzuschöpfen. (Genex-Link 2016 eingefügt)
Da es in der DDR keine Rechtsweggarantie für den einzelnen Bürger gab, keine freie Presse und kein Parlament, in dem unterschiedliche Interessen verhandelt werden konnten, hatte man das Eingabewesen geschaffen. Die Menschen wandten sich mit einzelnen Forderungen und Beschwerden an die „Organe“, gerne auch gleich an das Zentralkomitee oder den Generalsekretär. Oft wurde Abhilfe geschaffen. Ärger bekamen eigentlich nur notorische Querulanten und Arbeitsverweigerer („Asoziale“). Auch wurden durchaus untere Funktionäre angewiesen, den Beschwerden aus der Bevölkerung nachzugehen. Es muss wohl Millionen von Eingaben gegeben haben. Die meisten gab es übrigens dort, wo die Versorgungslage besser war: in Berlin und den Bezirkshauptstädten.
nach Bouvier, Beatrix: Die DDR – ein Sozialstaat? Sozialpolitik in der Ära Honecker, Bonn 2002
Bei allen Fehlern, die der Bundesregierung und insbesondere der Treuhand nach der Friedlichen Revolution nachgesagt werden: Hier, in der Zentralverwaltungwirtschaft, und nicht bei der Treuhand liegt der Grund für den Zusammenbruch der DDR. Die SED war 1989 darüber informiert, dass ihr Staat nur durch eine drastische Reduzierung des Lebensstandards, eine Preissteigerung bei den Gütern des täglichen Bedarfs, realistische Mieten, Abbau der Sozialleistungen usw. zu retten gewesen wäre. „Das hätte 1989 zu einer gewaltsamen Explosion geführt. Also machte man den Laden dicht. Das Ende der DDR trug alle Züge eines betrügerischen Bankrotts. Die Verantwortlichen schlichen sich davon und überließen die Probleme den Insolvenzverwaltern.“ Zitat aus: DDR-Führer, Alltag eines vergangenen Staates in 22 Kapiteln, p. 69, Berlin 2008 (Das knappe, aber höchst informative Buch zur Dauerausstellung des DDR-Museums in Berlin)
Ein Planspiel-Vorschlag:
Versuche den Jahresverbrauch an Turnschuhen, Fotokopierpapier oder Scheibenwischern zu planen! Welche Daten brauchst Du?
Materialien:
Grundzüge der Wirtschaft der DDR
Innerdeutscher Handel und Kreditwürdigkeit der DDR Anfang der 80er Jahre
Wenn ich Brandenburger Schüler/innen nach dem Thema „DDR“ frage, wird in der Regel geantwortet: „Wenig gehört“, „Am Ende der 10 gestreift“. Wenn ich nach „Wirtschaftssystem der DDR“ frage, wird´s noch bescheidener. Dazu passt, dass das Interesse an dieser Medienkiste – ein paar Exemplare wollte ich in Brandenburg verschenken – nicht vorhanden war. Mein von der CDU übernommene Vorschlag, von der Potsdamer Landeszentrale f. pol. Bildung eine DDR-Bücherkiste für Schulen zusammenstellen zu lassen, fand keine parteiübergreifende Zustimmung im Landtag.
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