Zum Vergleich von Kommunismus und Nationalsozialismus (1): das Vergleichs-Tabu

Der Vergleich des Sozialismus mit dem Nationalsozialismus ist so tabu wie in USA das F… – Wort. Das wird in nahezu jedem Leitartikel, in jeder öffentlichen Diskussion gebetsmühlenhaft bekräftigt.

Wovor haben diejenigen Angst, die den Vergleich tabuisieren? In einem Vergleich könnten ja auch Unterschiede herausgearbeitet werden. Aber er ist manchen zu heiß, denn auch Ähnlichkeiten könnten festgestellt werden.

Meist wird der Vergleich abgebügelt mit dem Hinweis auf den von den Nazis begangenen Genozid. Aber ist die Schwere der Verbrechen der Nazis ein Grund, die Verbrechen der Kommunisten nicht zu nennen? Ob Stalin oder Mao womöglich mehr Menschen als Hitler auf dem Gewissen haben, ist dabei ohne Belang. Auch das würde den Holocaust nicht relativieren. Der Potsdamer Prof. Martin Sabrow hat in sechs von sieben Vorträgen, die ich von ihm zu DDR-Themen gehört habe, darauf hingewiesen, dass die Nazis mit dem Holocaust einen Zivilisationsbruch begangen hätten. Befürchtet er, dass der Holocaust relativiert wird, wenn man die Repression in der DDR oder Stalins Terror ein Verbrechen nennt?

Der Vorwurf der Verharmlosung des Völkermords der Nazis fällt auf die Vergleichsverhinderer zurück: Wollen sie die Verbrechen der Kommunisten verharmlosen? Der Linksparteipolitiker und ehem. stv. Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Holter, meinte etwa in einer Podiumsdiskussion 2001, die Verbrechen des Kommunismus wären „überschaubar“. Der frühere Brandenburger Finanzminister Speer (SPD), ein maßgeblicher Befürworter von Rot-Rot (sagen Insider), hat den Vorschlag, beide Ideologien und deren Diktaturpraxis zu vergleichen, aus einem brandenburgischen Lehrplanentwurf streichen lassen. (Außerdem wurde der Arbeitsvorschlag gestrichen, Ursachen für Fremden­feindlichkeit in der DDR zu suchen.) Stattdessen wird den Geschichtslehrerinnen und -lehrern in einem Flyer des Lehrerfortbildungsinstituts LISUM empfohlen, BRD und DDR zu vergleichen, die Frauenemanzipation etwa oder den Umgang mit dem Nationalsozialismus(!).

Das LISUM beklagt, laut Enquetekommissionsgutachter Jürgen Angelow, dass zuwenig die „Parallelgeschichte der BRD“ kritisch herangezogen werde.

(Für Unterricht gilt die im Grundgesetz verankerte Freiheit von Forschung und Lehre. Wenn Lehrer wissenschaftsorientiert unterrichten sollen, kann ihnen keine Partei vorschreiben, wie sie ein Thema behandeln sollen. Ihr Unterricht muss sich allein wissenschaftlich legitimieren.)

Der Historiker Jochen Staadt, dessen sachkundige Bemerkungen ich in einer Veranstaltungsreihe der Berliner Grünen schätzen gelernt habe, hat zum Verschweigen kommunistischer Verbrechen in der westdeutschen Historikerzunft 1998 einen bösen Artikel in der Berliner Zeitung veröffentlicht.

Es verblüfft mich, wie sehr den Kommunisten abgenommen wird, das Gute gewollt zu haben, die gerechtere Welt usw. Die Rechten, die Reaktionäre, werden dagegen sogar als „autoritäre Charaktere“ von den Marxisten Adorno und Horkheimer krank geschrieben. Kommunistische Verbrechen werden von anderen Intellektuellen als „Fieberanfall der Vernunft“ verniedlicht.

Beim Thema „DDR“ wird, wenn gar nichts mehr geht, wenigstens der Anfang gelobt, wo doch alle beseelt gewesen wären, eine bessere, antifaschistisch-demokratische Welt aufzubauen. Dass die ersten Jahre die schlimmsten, die brutalsten waren, gerät bei so viel Empathie aus dem Blickfeld.

Wenn man die verschleiernde Faschismus-Definition der Kommunisten (F. wäre reaktionär und kapitalistisch) außer Acht lässt, wird man verblüffende Ähnlichkeiten feststellen: antibürgerlich, antiparlamentarisch, antiindividualistisch, antireligiös, technikbegeistert, Gewalt als Mittel der Politik akzeptierend, Ausmerzung der Gegner (Bei den einen eine Klasse, bei den andern eine Rasse).

Beider Ideologie war selbst eine Art Religion, versprach Erlösung von allen Übeln und hatte zahlreiche Kulthandlungen.

4 Kommentare zu „Zum Vergleich von Kommunismus und Nationalsozialismus (1): das Vergleichs-Tabu

  1. Ich kenne einen links-extremen autonomen Hausbesetzer der Anarcho-Szene in Europa, der früher ebenfalls Faschist gewesen ist. Eine mir Bekannte hat Kontakte zur Friedensbewegung und ist antisemitisch. Eine andere Bekannte toleriert sexistische Täter in einer faschistischen Rollenvergabe von Ansprüchen ans „starke Geschlecht“. Ein mir bekannter Punk war ebenfalls früher erst Nazi. – das sind drei Beispiele aus einem unterschiedlichen Dunstkreis der radikalen Linken/Anarchisten in der BRD.

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  2. Aufschlussreich könnte es sein, Biographien zu verfolgen:

    • Der Volksgerichtshof-Präsident Freisler war erst Kommunist, bevor er Nazi wurde.
    • Der Frankfurter Dutschke, Krahl, kam aus der rechten Ecke.
    • Horst Mahler, Unterstützer der RAF-Terroristen, wurde zum Rechtsextremisten.
    • Der Fall Mussolini eröffnet eine ganz neue, politisch unkorrekte Diskussion: War der Faschismus womöglich eine Spielart des Sozialismus?
    • Der angesehene, auch heute noch mit einem Standardwerk über Parteien viel gelesene Robert Michels, war SPD-Mitglied und wurde zum glühenden Anhänger Mussolinis. (Robert Michels wurde am 7.12.2011 nachgetragen.)
    • Nicht verschwiegen werden soll, dass aus überzeugten Kommunisten auch Demokraten wurden: Ernst Reuter etwa. Der wurde von den Pankower Machthabern erst recht gehasst, als er Regierender Bürgermeister in Berlin-West wurde.

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