Antikommunismus, die Grundtorheit unserer Epoche?

Von Thomas Mann wird gerne der Satz zitiert, Antikommunismus wäre die Grundtorheit des Jahrhunderts.

Es lohnt sich – wie eigentlich immer – genauer hinzuschauen. Eckhard Jesse (Horch und Guck, Heft, 74/2011, S. 9) zitiert die gesamte Sequenz:

„Sie sehen, dass ich in einem Sozialismus, in dem die Idee der Gleichheit die der Freiheit vollkommen überwiegt, nicht das menschliche Ideal erblicke, und ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt, von dem der Faschismus lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche.“

Thomas Mann sah in der Kommunistenfurcht einen Auslöser für faschistoide Tendenzen (z. B. McCarthy in USA). Er wurde von der SED 1949 aus Anlass des 200. Geburtstages Goethes sehr freundlich und zuvorkommend behandelt, anders als in Westdeutschland, wo es Kontroversen um sein Exil und seine kritischen Deutschland-Reden in USA gegeben hatte.

Für Mann war der Nationalsozialismus das allerschlimmste Übel und er fürchtete, dass der in Westdeutschland starke Antibolschewismus die Altnazis stärken würde.

Das kann man übrigens so schon bei Sontheimer, Thomas Mann  und die Deutschen, München 1961, 12. Kapitel, nachlesen. Steht bei mir im Bücherregal. Zum letzten Mal reingeschaut 1964, vor dem Abitur!
Man sollte nicht nicht ständig vorm Computer sitzen.

3 Kommentare zu „Antikommunismus, die Grundtorheit unserer Epoche?

  1. Also Herr Jesse ist ja hinlänglich als rechtester Politologe Deutschlands bekannt. Und gerade als eifrigster Verfechter der sog. „Extremismustheorie“ hat sich vor Politikwissenschaftlern und Soziologen bundesweit lächerlich gemacht. Die Ablehnung seiner „Theoie“ zieht sich quer durch das politische Lager, vielleicht mit Ausnahme der CDU. Und wenn das obige Zitat tatsächlich von Jesse stammt, hat er auch noch falsch zitiert. Hier das originale Zitat (Aus: Der Antibolschewismus. Die Grundtorheit unserer Epoche, in: Die Einheit, 1946, Heft 2, S. 105ff, Verlag Dietz Nachf., Berlin) und die originale Schlussbemerkung Manns: „Ich glaube, ich bin vor dem Verdacht geschützt, ein Vorkämpfer des Kommunismus zu sein. Trotzdem kann ich nicht umhin, in dem Schrecken der bürgerlichen Welt vor dem Wort Kommunismus, diesem Schrecken, von dem der Faschismus so lange gelebt hat, etwas Abergläubisches und Kindisches zu sehen, die Grundtorheit unserer Epoche. Der Kommunismus ist als Vision viel älter als der Marxismus und enthält auch wieder Elemente, die erst einer Zukunftswelt angehören. Älter ist er, weil schon die religiösen Volksbewegungen des ausgehenden Mittelalters einen eschatologisch-kommunistischen Charakter hatten: schon damals sollten Erde, Wasser, Luft, das Wild, die Fische und Vögel allen gemeinsam gehören, auch die Herren sollten um das tägliche Brot arbeiten, und alle Lasten und Steuern sollten aufgehoben sein. So ist der Kommunismus älter als Marx und das 19. Jahrhundert. Der Zukunft aber gehört er insofern an, als die Welt die nach uns kommt, in der unsere Kinder und Enkel leben werden, und die langsam ihre Umrisse zu enthüllen beginnt, schwerlich ohne kommunistische Züge vorzustellen ist, das heißt, ohne die Grundidee des gemeinsamen Besitz- und Genußrechts an den Gütern der Erde, ohne fortschreitende Einebnung der Klassenunterschiede, ohne des Recht auf Arbeit und die Pflicht zur Arbeit für alle.“

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    1. Was haben Sie jetzt eigentlich bewiesen? Dass Jesse ein Faschist ist? Die übliche Social-Media-Argumentation gegen die Person, nicht gegen die Sache.
      Dass Mann kein Fürsprecher des Kommunismus ist, sei er marxistisch oder vormarxistisch, ist damit nicht widerlegt. Sein Motiv für den Satz habe ich genannt.
      Gegen Sontheimer haben Sie sicher auch Einwände. Der ist für Sie wohl bloß ein rechter Sozialdemokrat.

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