Gedenkstätte Leistikowstraße: Die geschichtspolitischen Fronten bleiben verhärtet

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KGB-Emblem. In der Gedenkstätte prominent aufgestellt; Foto: GS

Der Brandenburger Landeszentrale für politische Bildung und ihrer Leiterin, Dr. Martina Weyrauch, gelingen immer wieder gute Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur. So griff sie jetzt den anscheinend unlösbaren Streit um die Ausstellung im ehemaligen KGB-Gefängnis Leistikowstraße in Potsdam auf.

Fünfzehn Jahre hatte eine Zeitzeugeninitiative aus ehemaligen Häftlingen dieses Gefängnisses, gemeinsam mit Memorial Deutschland e. V., für den Erhalt dieser Gedenkstätte gekämpft. Erst dann wurde eine staatliche Stiftung gegründet, die Gedenkstätte der Landes-Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten unterstellt. 800.000 € flossen in die neue Ausstellungskonzeption.

Die Zeitzeugeninitiative fühlte sich von Anfang an ausgegrenzt aus der Erarbeitung der Konzeption. Die alten Herren, die die Zuchthäuser der SED und den GULag Stalins überlebt haben, sind verbittert, weil sie jahrzehntelang die Erfahrung gemacht haben, Opfer zweiter Klasse zu sein. Ihre Leidenszeit steht im Schatten des Gedenkens der Opfer der Naziherrschaft. Sie mögen keine einfachen Gesprächspartner sein. Vor allem auch dann nicht, wenn sie sich mit einer Gedenkstättenleiterin konfrontiert sehen, die vorher in der Gedenkstätte Sachsenhausen für das sowjetische Speziallager zuständig war, an dem sich derselbe Konflikt wie in Potsdam entzündet hatte: Die Opferverbände mussten feststellen, dass den Gedenkstättenleiter in Sachsenhausen, Prof. Dr. Morsch, gleichzeitig auch Chef aller brandenburgischen Gedenkstätten, das stalinistische Speziallager wenig interessiert, das NS-KZ dafür umso mehr. Ähnlich war es auch in Buchenwald/Thüringen gewesen. Dort gab es heftigen Widerstand gegen die Aufarbeitung des sowjetischen Speziallagers.

Nachtrag: Siehe dazu den Text von Linda Teuteberg in der PNN.

Für die linksextreme VVN, für die Stalinisten in der Linkspartei, für Antifa-Aktivisten, für alle, die nicht müde werden, lautstark der Leiden von Kommunisten in NS-KZs zu gedenken, ist es eine Zumutung, wenn an den stalinistischen Terror erinnert wird. Auch Wissenschaftler, die gegen die Totalitarismustheorie sind und den Vergleich von Kommunismus und Nationalsozialismus vehement ablehnen, setzen gerne West und Ost in der Zeit des Kalten Krieges gleich und attestieren der UdSSR das Recht, Spione, Nazis und Werwölfe einzusperren oder zu liquidieren. Da hätte es auch schon einmal einen Unschuldigen erwischt. Die Westalliierten hätten das schließlich auch getan.

Auf dem Podium im überfüllten Veranstaltungsraum der Landeszentrale sitzen Dr. Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Bundesstiftung Aufarbeitung und Mitglied im Stiftungsbeirat der Leistikowstraße, Horst Schüler, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Workuta,  Prof. Dr. Wolfgang Benz, Zeitgeschichtsforscher und ehemaliger Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung, TU Berlin und Dr. Ines Reich, Leiterin der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße.

Wolfgang Benz hat ein Buch zur Auseinandersetzung um die Ausstellung herausgegeben – zumindest suggeriert das der Titel: Wolfgang Benz (Hrsg.): Ein Kampf um Deutungshoheit. Politik, Opferinteressen und historische Forschung. Die Auseinandersetzungen um die Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße Potsdam. Metropol Verlag. Berlin, 2013.  Wer aber erwartet hat, dass ein renommierter Historiker sozusagen aus der Außensicht ein klärendes Wort beisteuert, sieht sich getäuscht. Man erlebt vielmehr einen peinlichen Auftritt. Schon der erste Satz von Prof. Benz irritiert, denn da spricht er von DDR und BRD. Der Verlag hätte ihn gebeten, ein Buch zu machen und dann hat er eben ein Buch gemacht. Als Herausgeber möchte er nicht verantwortlich gemacht werden für die Inhalte seiner Autoren. Den Verfasser des Beitrages, in dem die ideologische Übereinstimmung und personelle Verflechtung von Rechtsextremisten und antistalinistischen Vereinigungen untersucht wird, kennt er gar nicht. Horst Schüler findet den Beitrag empörend. Ein grundlegender Artikel, in dem die Gedenkstättenkonzeption vorgestellt wird, fehlt.

Prof. Dr. Benz rudert zurück: Das Buch sei ein Diskussionsbeitrag, ein Blitzlicht in einer längeren Debatte, ein Gesprächsangebot. Er wird an diesem Abend keinen sachlichen Beitrag leisten, sondern mit Vorliebe auf polemische Bemerkungen polemisch antworten und noch einmal die Nazikeule schwingen. Ein peinlicher Auftritt, der seinen Höhepunkt in einer höchst überflüssigen philologischen Übung hat.

Der Streit entzündet sich vor allem auch an den Ausstellungstexten. Anna Kaminsky sagt, nach der Kritik des Gedenkstättenbeirates an den Texten seien diese überarbeitet worden. Dr. Ines Reich bestreitet, dass inhaltliche Korrekturen vorgenommen wurden. Beiläufig weist sie darauf hin, dass Brandenburg eine rot-rote Landesregierung habe. Wie meint sie das?

Man kann noch beim Lesen der überarbeiteten Texte auf den Gedanken kommen, dass ihnen ein gewisses Understatement eigen ist. So wird hervorgehoben, dass die Gefangenen keinen Rechtsbeistand hatten. Das war sicher nicht das Schlimmste im KGB-Gefängnis. Auch erfährt man, dass die deutsche Armee in Polen eingefallen ist. Dass da noch jemand dasselbe gemacht hat, fehlt! Dafür steht da der merkwürdige Satz, dass die nach Westen vorrückenden Rotarmisten von den Erfahrungen des stalinistischen Terrors gleichermaßen geprägt waren wie von den Auswirkungen des rassistischen und antisemitischen Vernichtungsfeldzuges der Nazis.

Vom GULag, in den ab Potsdam Kurswagen fuhren, erfährt man wenig. Erstaunlich der Satz: „Mancher überlebte ihn nicht“. Prof. Benz versucht, mit einer semantischen Analyse die Ausstellungsmacherinnen zu verteidigen. Der Satz wäre empathischer als man meine. Einige Zuhörer können nur noch lachen.

Update 11.11.14: Die Leiterin der Gedenk- und Begegnungsstätte Leistikowstraße hat jetzt ihren eigenen Gedenkstätten-Förderverein gegründet. Sie selbst sitzt im Vorstand. Zeitzeugen soll der Förderverein nicht suchen. Das hat der ihrer Arbeit kritisch gegenüberstehende Verein der von der SED-Verfolgten bisher getan. Dieser Verein hatte zwei Jahrzehnte dafür gesorgt, dass die Erinnerung an das KGB-Gefängnis erhalten blieb und für die Öffnung als Gedenkstätte gesorgt. Dem Förderverein von Frau Reich geht es um Unterstützung des Museums, nicht der Gedenkstättenarbeit.

4 Kommentare zu „Gedenkstätte Leistikowstraße: Die geschichtspolitischen Fronten bleiben verhärtet

  1. Als ehemals „Außenstehender“ hat der Autor des Artikels die vorhandenen Mißstände sehr gut erfasst und eingeordnet. Einzige Anmerkung von mir: Auch auf die vielen nichtpolemischen Äußerungen der Hörer antworteten Benz und Reich meist ausweichend polemisch.

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