Rechtzeitig zur 30-Jahrfeier der Einheit: ein neuer Konsum in Potsdam

Die Feier zum 30. Jahrestag der deutschen Einheit in Potsdam musste corona-bedingt reduziert werden auf dezent im Stadtbild verteilte gläserne Container, in die man, ebenfalls corona-bedingt bloß hineingucken darf. In ihnen präsentieren sich die obersten Bundesorgane und die EU.

In einem nur selten mit Wasser gefüllten Reststück des Stadtkanals wird eine Fotoaustellung über Ereignisse der Wendezeit gezeigt. Beleuchtet sieht das in der Nacht ganz hübsch aus. Auf Straßenebene ist der Kanal gesäumt von einer Allee weißer Stelen, Grenzpfosten ähnlich, mit Bundes- und EU-Fahne versehen und in der Mitte der mitreißende Slogan: „Deutschland ist eins: vieles“.

Wiederverwendbar in Antirassismus-, Anti-AfD-, Anti-Islamophobie-, Anti-Rechts-Ausstellungen. In der Stadt verteilt sind auch große LED-Bildschirme, wie man sie aus der Werbung kennt, die mit grellem Licht und im Sekundentakt neue Bilder produzieren. Als ich vorbeifuhr wurde gerade gemahnt, Gesichtsmasken zu tragen.

Rechtzeitig zur 30-Jahr-Feier der Einheit wurde auch der xte Versuch unternommen, den „Platz der Einheit“ in „Platz der Deutschen Einheit“ umzubenennen. Auch er wurde, wie zuletzt der der AfD von 2018, von der Mehrheit der Stadtverordneten abgelehnt.

Es lässt sich nicht mehr eindeutig klären, warum es im März 1946 zu dem Namen kam. Der Potsdamer Straßennamenexperte, der Historiker Dr. Klaus Arlt, vermutet, dass es eher um die damals noch angestrebte deutsche Einheit ging, wie er mir auf Anfrage einmal mitteilte. Allerdings erfolgte die Umbenennung kurz vor der Herstellung der Einheit der Arbeiterklasse, der Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD zur SED. Man hätte ja auch damals von der deutschen Einheit sprechen können, wenn es um die gegangen sein sollte. Inzwischen hat man sich in Potsdam an die Doppelsinnigkeit gewöhnt. Die 30-Jahr-Feier wäre eine gute Gelegenheit gewesen, Eindeutigkeit herzustellen.

Gegenüber dem ehemaligen Stasi-Untersuchungsgefängnis Lindenstraße eröffnet aber rechtzeitig ein neuer DDR-Konsum. Eine Westdeutsche betreibt ihn. Es gibt Nudossi, Frufoo, Tempo-Bohnen und Rondo-Melange, garantiert ohne Versorgungsengpässe und ein kleines Café im Laden. Nachtrag 03.2023: Der Laden wird geschlossen. Der Umsatz ließ zu wünschen übrig. Das Betreiberpaar versucht es jetzt an der Ostsee. Ohne stasi-Gefängnis als Nachbarn.

DDR-Cafe

Potsdam ist laut Selbstbild eine tolerante Stadt. Was hier wieder bewiesen wird: Nach der Besichtigung der Stasi-Haftzellen im ehemaligen MfS-Gefängnis einfach über die Straße ins gemütliche Nostalgie-Café im Konsum.

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