„Plan D“ von Simon Urban: Die DDR ist wieder da!

Wenn das Buch, ein Krimi, so gut ist wie der Trailer zum Buch …

„Ostberlin 2011: Die Wiedervereinigung hat es nie gegeben, Egon Krenz ist seit 22 Jahren an der Macht und die DDR nahezu pleite. Die Hauptstadt: ein maroder Moloch, verpestet und verdreckt von Millionen Ölmotoren des Trabant-Nachfolgers Phobos. Die letzte Chance für den Sozialismus: Wirtschaftsverhandlungen mit der BRD und ihrem Bundeskanzler Oskar Lafontaine.
Doch dann wird ein ehemaliger Berater von Krenz ermordet aufgefunden – und alles weist darauf hin, dass die Täter aus den Reihen der Stasi kommen. Als auch noch der SPIEGEL über diesen Fall berichtet, ist klar: Wird die Unschuld der Stasi nicht bewiesen, ist die DDR endgültig erledigt.
Im grauen, zerfallenden Ostberlin suchen Martin Wegener von der Volkspolizei und sein westdeutscher Kollege Richard Brendel nach den Mördern…“
(Aus der Verlagswerbung)

Zum „historischen“ Hintergrund
Hier die Ankündigung des Schöffling-Verlages mit Hör- und Leseprobe.

Das Rezept ist immer erfolgsversprechend. Eine irreale Situation wird realistisch erzählt.

Die DDR wird 1990 „wiederbelebt“. Mit Hilfe eines ihr gewogenen westdeutschen Bundeskanzlers Lafontaine – an seiner Seite Frau Ypsilanti – und EU-Geldern wird sie zum wichtigen Transitland für russische Gas-Pipelines. Egon Krenz hatte die Grenzen bei einer Einwohnerzahl von etwas über 14 Mio. wieder geschlossen. Die Stasi behauptet, noch rechtsstaatlicher geworden zu sein, als sie schon immer war. Es gibt Luxusherbergen für westliche Manager in Ostberlin und ostdeutsche Handys. Die besten Versionen, mit vorinstallierter Abhöreinrichtung, werden nur von der Stasi benutzt und sind Exportschlager im Westen. Der antifaschistische Schutzwall ist jetzt ein anti-kapitalistischer. Der Trabi-Nachfolger fährt mit Rapsöl. Ansonsten ist das Land die gleiche erbärmliche Diktatur wie vor 1989. „Der Geruch von altem Fritierfett“ wabert durch die Ostberliner Straßen.

Für einen, auch noch jungen Wessi als Autor wird erstaunlich kenntnisreich und einfühlsam erzählt. Die alte DDR wird allerdings zum running gag. Margot Honecker singt im SED-Altersheim Lieder von Biermann, Christa Wolf residiert nur ein paar Zimmer weiter. Sahra Wagenknecht und Peter Sodann spielen in einem Blockbuster.

Der ostdeutsche Ermittler Wegener (Ein Namensvetter war Polarforscher!; GS) räsonniert in langen Gesprächen, Selbstgesprächen und Zwiegesprächen mit seinem verschwundenen Ausbilder über seinen Staat, seine verflossene Liebe und seinen mondänen BND-Kollegen Brendel.

Der Fall eines geheimnisvollen Weltverbesserers mit West- und Ostkontakten, der in der Nähe einer neuen Pipeline ermordet aufgefunden wird, wird immer verworrener und eskaliert, es gibt am Schluss vier Mordopfer, und – eher beiläufig berichtet – Sprengstoffanschläge auf den Palast der Republik und das Kino, in dem die Filmschauspielerin Wagenknecht Premiere feiert.

Wer sich bisher noch nie mit der DDR befasst hat, wird in dem Buch viel über ihre traurige Realität erfahren. Vielleicht kriegt man U-30 -Leser/-innen, die weder Döblin noch John Le Carré kennen, so. Vorausgesetzt, sie halten die langen inneren Monologe, die metaphernreichen Schilderungen von nächtlicher Stadt und Fahrten über Schlaglöcher durch. Zwischendurch darf sexuell Anzügliches nicht fehlen.

Was bei der Aufarbeitung der realen DDR zu Tage tritt, ist schon abenteuerlich und manchmal auch kriminell genug. Da bedarf es eigentlich nicht des fiktionalen Feuerwerks von Einfällen,wie eine wieder belebte DDR aussehen könnte. Auch wenn es realistisch erzählt wird. Ob Jüngere, weniger mit der DDR vertraute Leser die Anspielungen verstehen?

West-Ermittler Brendel fragt Ost-Ermittler Wegener: „Wären Sie für die Wiedervereinigung?“ Der antwortet: „Schon. Aber die Ostdeutschen würden weitermotzen, auch im Wohlstand. Glauben Sie mir.“
„Weil sie in Wahrheit nicht wollen, dass die Mauer fällt? Oder weil es ihnen nicht schnell genug ginge?“
„Weil sie das Motzen seit 60 Jahren professionalisiert haben. Da kann man nicht einfach aufhören. Wir sind Motzweltmeister.“
„Dann lassen wir das mit der Vereinigung vielleicht lieber.“
„Dann motzen sie darüber, dass Sie das lassen.“ (p 216)

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